VW und seine Händler in Gefahr

Liegt kein Vorsatz zu einer Straftat vor, wenn jemand betrügt und darauf hofft, nicht entdeckt zu werden? Mit dieser Frage reagierte die Vorsitzende Richterin Ulrike Flecken verwundert in einem Prozeß vor dem Landgericht Mönchengladbach auf den Vortrag eines Verteidigers des beklagten Gladbacher Autohändlers Waldhausen+Bürkel. Das war natürlich eigentlich eine Frage an die mitangeklagte VW AG, die übrigens auch anwaltlich zugegen war, denn dem Autohändler wird man einen Betrug nicht anlasten können und auch nicht wollen. Es ist ja auch kein Strafprozeß, der hier geführt wird, sondern ein ziviler.

Strafrechtlich hat sich bisher in Europa um die ganze Mischpoke noch niemand gekümmert, umso verwunderlicher, wenn man weiß, was für ein Theater gelegentlich veranstaltet wird um eine Öllache auf der Straße, die aus Versehen entstand.

Das Verfahren vor der 10. Zivilkammer ist eine Folge des im Herbst 2015 bekannt-gewordenen „Abgasskandals“, in den VW verwickelt ist. Dabei geht es – zur Erinnerung – darum, dass Automobilhersteller Abgaswerte manipuliert haben, indem eine Software in die Autos eingebaut wurde, die falsche Tatsachen vortäuschte.

Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat dem Hersteller VW gegenüber mit Schreiben vom 15. Oktober 2015 den Rückruf von 2,4 Millionen VW-Markenfahrzeugen angeordnet. Es vertritt die Auffassung, dass es sich bei der in diesen Fahrzeugen verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. VW wird in dem Bescheid vom Kraftfahrt-Bundesamt auferlegt, die entsprechende Software aus allen Fahrzeugen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen. Dies ist durch entsprechende Nachweise zu belegen.

Die getroffene Anordnung erstreckt sich auf Fahrzeuge mit EURO 5 Dieselmotoren der Größe 2 Liter, 1,6 Liter und 1,2 Liter Hubraum. Da das nicht in dem geforderten Zeitrahmen geschah, drohte das Bundesamt später mit dem Entzug der Betriebserlaubnis, wie im Saal 107 des Gerichts in Gladbach zu hören war.

Das hat eine Lawine von Klagen enttäuschter Kunden ausgelöst. Erstmals mußte sich jetzt das Landgericht Mönchengladbach mit einem solchen Fall beschäftigen; mit zwanzig weiteren Verfahren vor diesem Gericht wird gerechnet. Das Medieninteresse an dem Prozeß ist erheblich; der Pressesprecher des Landgerichts ist anwesend, und weitere Zeitungen sowie der WDR verfolgen den Verhandlungstermin. Unter den anderen Zuschauern auch solche, die sich mit dem Gedanken tragen, zu prozessieren. Darunter auch solche, die sich beim Kauf eines VW explizit für ein extrem schadstoffarmes Modell entschieden und dafür auch bereit waren, erhebliche Mehrkosten bei der Anschaffung zu tragen.

Im Fall der Klägerin geht es um einen gebrauchten VW Golf Variant (damaliger Kilometerstand gut 100 000 km) mit 1,6-Liter Dieselmotor für 13 360,- €, der im Juli 2014 beim Gladbacher Autohändler Waldhausen+Bürkel gekauft wurde. Dieser Wagen war mit Euro-5-Abgasnorm angepriesen, die aber nicht auf der Straße, sondern nur im Testbetrieb (auf dem Prüfstand des TÜV etc.) erreicht wurde. Das war der erwähnten Masche zu verdanken. Im Dezember 2015, nachdem die Angelegenheit offenbar wurde, will die Klägerin vom Kaufvertrag zurücktreten, also Auto und Geld zurück. Der Händler bietet ihr statt dessen eine Nachbesserung des Wagens an. Aber ist dies einem Käufer zuzumuten, wenn man z.B. gar nicht weiß, wann diese Nachbesserung in Angriff genommen wird? Und, so die Argumentation der Klägerin: kann er das überhaupt? Braucht das Auto dann mehr Sprit? Geht der Motor schneller kaputt? Die Richterin ist diesen Ansichten durchaus aufgeschlossen. Schließlich könnte die Betriebserlaubnis für das Fahrzeug erlöschen.

Der Prozeß beginnt mit einer Panne: die Anwältin der Klägerin (die nur als Vertreterin des Unterbevollmächtigten auftritt) kommt zuerst leicht verspätet und kann den aktuellen Kilometerstand des Wagens nicht angeben. Das ist wichtig für einen Vergleich, den die Richterin später vorschlägt. Der Versuch, über ein Telefon die Information zu bekommen, mißlingt. Folglich endet der erste Verhandlungstag nach knapp einer halben Stunde. Ulrike Flecken macht noch einen Vergleichsvorschlag, der aber vage bleiben muß, weil niemand im Saal weiß, wie viel der Wagen inzwischen gelaufen ist: das beklagte Unternehmen soll den Wagen zurücknehmen und der Klägerin 10 000 € geben. Aber damit befassen sich die Parteien dann nicht mehr
Der Prozeß wird schriftlich fortgesetzt. Die Verkündigung des Urteils, bei der Publikum zugelassen ist, ist auf den 1. Juni 2017 terminiert. Bislang haben sich schon etliche Landgerichte mit ähnlichen Klagen beschäftigt – mit unterschiedlichen Ergebnissen. Aber auch die Sachverhalte sind immer andere, so wird es lange dauern, ehe aus einzelnen Urteilen geltendes Recht wird.

Der Volksmund hat für so etwas schon lange ein Urteil parat: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, auch wenn er denn die Wahrheit spricht.
Rhenanus

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