Menschen in Entscheidungen einbeziehen

Gespräch mit OB Felix Heinrichs

Die Stadt Mönchengladbach im Wandel. Wie geht die Spitze der Politik und Verwaltung damit um? OB Felix Heinrichs stand dem Gladbacher Tageblatt zu den verschiedenen Themenkreisen, die sich daraus ergeben, in einem exklusiven Gespräch im Rathaus Abtei zur Verfügung. Sein Credo: Menschen in Entscheidungen einbeziehen.

GT: Ich darf einleitend erwähnen, weshalb ich Sie zu dem Gespräch gebeten habe. Sie gehen so langsam auf das Ende der ersten Halbzeit ihrer Amtszeit entgegen und da drängt sich natürlich die erste und zweite Frage auf: Wo mit sind Sie zufrieden, und wo sehen Sie noch Defizite?
Felix Heinrichs: Man sollte grundsätzlich im Leben nicht zu sehr zufrieden mit sich sein. Aber, was gut gelungen ist, ist das Einbeziehen der Bevölkerung in Entscheidungen, die sie betrifft. Ich will daran erinnern als es an Anfang 2021 nach Bekanntwerden der Pläne für den Geroweiher es große Proteste gab. Hier ist es gelungen, noch einmal mit den Menschen zu sprechen, auf sie einzugehen, Verbesserungen zu erreichen, und im Moment freuen sich alle darauf, dass dieser neue Geroweiher, umgestaltet, eröffnet werden soll. Also Menschen stärker einbeziehen, das ist mir persönlich wichtig und das ist gelungen.

OB Felix Heinrichs

GT: Das haben sie in einem Gespräch zu Beginn ihrer Amtszeit angekündigt, und wenn ich das als Beobachter sagen darf, das ist Ihnen hervorragend gelungen.
Felix Heinrichs: Dazu gehören auch die Bürgersprechstunden im Rathaus und mein Dialogformat „OB vor Ort“ auf den Wochenmärkten im Sommer, ich habe Lust mit den Menschen zu sprechen und das merken sie.

GT: Und die andere Seite? Wo denken Sie, dass Sie noch arbeiten können und müssen in den noch anstehenden drei Jahren Ihrer Amtszeit?
Felix Heinrichs: Wenn wir auf die ökonomische Situation der Stadt schauen, dann sehen wir, dass sich trotz aller Krisen, alles gut entwickelt hat. Wir haben eine Gewerbesteuereinnahme, wie wir sie noch nie gehabt haben im letzten Jahr und das wird wahrscheinlich halten. Also trotz aller Krisen ist die Wirtschaft in der Stadt resilient aufgestellt. Ob das so bleibt werden wir sehen, aber das ist erst einmal ein ganz großer Pluspunkt. Damit das so bleibt, müssen wir, was das Thema Strukturwandel angeht durch den Kohleausstieg und den sich daraus ergebenden Chancen durch die Fördermilliarden, die hier nach Nordrheinwestfalen kommen, noch mehr Gas geben, um noch mehr zu erreichen. Da müssen wir – und das ist ein Lernprozess in den vergangenen zweieinhalb Jahren – intensiv mit der Wirtschaft arbeiten. Denn die Stadt kann ja immer nur Rahmenbedingungen schaffen. Wir können gucken, dass die Ausbildung funktioniert, ebenso die Schulen, dass die Verkehrswege da sind, dass die Stadt attraktiv ist, wir können Bildung und Forschung unterstützen an den Hochschulen. Aber einen Arbeitsplatz, den schafft ein Unternehmen. Da müssen wir noch stärker zusammen arbeiten, da sind die Förderregularien geändert, weiterentwickelt worden. Da haben wir schon viel erreicht, aber da ist noch ganz, ganz viel zu tun. Ein Ankerprojekt ist da der Wissenscampus auf der ehemaligen Polizeikaserne an der Theodor-Heuss-Straße. Da gibt es noch viel zu tun, aber ich glaube, wir können da gut anknüpfen, an das, was wir schon erreicht haben.

GT: Ein weiterer Themenkreis, den ich gerne anstoßen würde, ist der der Stadtentwicklung im Kontext mit der Zuwanderung. Wir leben ja in stürmischen Zeiten, wie ich höre sind gerade mal wieder 1.300 Flüchtlinge in Italien angekommen. Die sind ja nun in Europa und am liebsten natürlich in Deutschland. Wie managt die Stadt so was?
Felix Heinrichs: Es ist so, dass die Bevölkerungszahl steigt. Trotz aller demografischen Probleme – wir dachten, dass die Bevölkerungszahl nach unten geht – zum 31.12.2022 erreichten wir ein Plus, wir sind bei über 275.000 Menschen, die ihren Wohnsitz in Mönchengladbach gemeldet haben. Die müssen wohnen, brauchen Bildungsangebote und die Leute müssen irgendwo arbeiten gehen. Das sind Grundbedürfnisse.
Wir versuchen gerade, den kommunalen Wohnungsbau nach vorne zu bringen mit der Wohnbau. Beim Thema Arbeitsplätze, wird versucht, den Leuten einen zukunftssicheren Arbeitsplatz zu vermitteln. Auch das funktioniert. Die Arbeitslosenquote ist bei 9,6%, immer noch vergleichsweise hoch, aber lange nicht mehr da, wo wir mal waren, bei 12% und mehr.
Und dann geht es immer in der Stadt darum, was kann man für den soziale Frieden tun? Das betrifft natürlich die Menschen, die nicht aus Deutschland nach Mönchengladbach gekommen sind. Das tun wir, indem wir den Integrationsbereich neu aufgebaut haben. Wir haben hier neue Leute hinzu gewonnen, ganz engagierte junge Frauen, die sich um Integration kümmern.
Ich persönlich bekam vor einigen Wochen den Auftrag zu einem interreligiösen Dialog. Die Anfrage gab es schon mal vor vielen Jahren, das ist leider etwas eingeschlafen. Jetzt hatten wir ein Auftaktgespräch, wo Vertreter fast aller Religionen da waren. Und die, die nicht da waren, haben trotzdem Interesse daran. Also, hier das Zusammenleben zu organisieren mit 275.000 Einwohnern.
Ein anderes Beispiel. Wir hatten einen Abend, da habe ich das Schützen-Brauchtum  zum Grünkohlessen in den Ratssaal eingeladen, der Bezirkskönig und seine Minister und alle anderen Schützenbruderschaften in der Stadt. Ein paar Tage später hatte ich die Menschen muslimischen Glaubens eingeladen, zum gemeinsamen Fastenbrechen, denn das ist ja alles Mönchengladbach.

GT: Wann machen Sie das Fastenbrechen mit den katholisch Gläubigen – und den Evangelischen?
Felix Heinrichs: Das Fastenbrechen bezieht sich ja auf die Muslime, die ja im Ramadan, den wir ja im Moment haben, abends immer gemeinsam zum Fastenbrechen zusammen kommen. Wenn die Sonne untergegangen ist, dürfen gläubige Muslime ja wieder etwas essen. In diesem Jahr machen wir das auf Initiative der Vereine mit den Mitgliedern des Integrationsrates, Vertreter der Vereine auf Einladung der Stadt Mönchengladbach. Weil mir das wichtig ist. Wir gehören alle zu Mönchengladbach.

GT: Haben Sie denn die Christen auch irgendwo im Fokus?
Felix Heinrichs: Ja, da haben wir auch ein Event. Vom 28. Mai bis zum 4.Juni haben wir die Heiligtumsfahrt Mönchengladbach. Da steht im Mittelpunkt das Abendmahltuch, das in einem Schrein im Münster aufbewahrt wird, und das dann gezeigt wird. Wieder einmal nach sieben Jahren. Wir unterstützen das als Stadt auch sehr. Dabei sind alle Menschen angesprochen, nicht nur Menschen katholischen Glaubens.

GT: Ich will noch einmal zurück kommen auf die Zuwanderung. Durch den Konflikt in der Ukraine, aber nicht nur deshalb, ist der Zustrom ja wieder exorbitant angestiegen. Wie managen Sie das, wo bringen Sie all die Leute unter? Und ist abzusehen, ob die bleiben oder wieder gehen?
Felix Heinrichs: Die letzte der beiden Fragen ist natürlich schwierig zu beantworten. Wollen Menschen bleiben? Und wenn ja, wie lange? Was wir aber sehen, ist das immer mehr Menschen die deutsche Staatsangehörigkeit haben wollen. Das spricht dafür, dass sie bleiben wollen. Da brauchen wir als Stadt mehr Personal, da arbeiten wir dran. So können wir Menschen eine neue Heimat geben.

GT: Konkrete Zahlen zu der Zuwanderung, können Sie die geben, z.B. wie viele Menschen aus der Ukraine nach Gladbach gekommen sind?
Felix Heinrichs: Zur Zeit leben etwas weniger als 3.000 Menschen aus der Ukraine in der Stadt.

GT: Wo kommen die Leute unter? Haben Sie noch Turnhallen belegt, gibt es noch Container?
Felix Heinrichs: Seit Herbst vergangenen Jahres haben wir keine Turnhallen mehr belegt, weil es andere Möglichkeiten gab. Viele sind in privaten Wohnungen, ganz normal mit Mietvertrag, wie sich das gehört, aber andere sind noch in Erstaufnahmeeinrichtungen im Nordpark oder an der Aachener Straße, es ist alles gut belegt, aber wir bekommen die Menschen noch unter.

GT: Menschen wollen sich bewegen, und so kommen wir zum nächsten Thema, der Verkehrspolitik der Stadt. Da habe ich zwei Schienenprojekte auf meinem Zettel. 1. die S-Bahn-Verbindung nach Rheydt, wie weit sind Sie da?
Felix Heinrichs: Da haben wir eine Absage bekommen. Wo wir im Augenblick dran arbeiten ist die Revier S-Bahn, die S6 aus Köln, die über Jüchen nach Rheydt führen soll. Da hätten wir mit Köln eine andere Anbindung. Da geht es eigentlich ganz gut voran.

GT: Sie denken, dass Sie die von der Deutschen Bahn eingerichtet bekommen?
Felix Heinrichs: Das Schienennetz müsste ausgebaut und der Takt müsste verdichtet werden, und dazu gibt es sehr gut laufende Gespräche, damit würde der Bereich mit den beiden Oberzentren verbunden.

GT: Die S8 aus Düsseldorf kommend kann ja nicht bis Rheydt verlängert werden, Sie hatten ja angeregt, eine Verbindung zur Hochschule zu schaffen?
Felix Heinrichs: Die Idee gibt’s noch, aber das ist alles sehr kompliziert.

Die Unterzeichnung der Vereinbarung, die dem Schienenverkehr auf die Sprünge hilft, am Verlauf der geplanten Trasse.  Das Foto zeigt: (v.r.n.l.) Oberbürgermeister Gladbach, Felix Heinrichs, Bürgermeisterin Stadt Viersen, Sabine Anemüller, Landrat Kreis Viersen Dr. Andreas Coenen und Bürgermeister Stadt Willich, Christian Pakusch. © Frank Hohnen

GT: Ich kann mich erinnern, Sie haben sich vor einiger Zeit mit der Bürgermeisterin von Viersen und dem Bürgermeister von Willich und dem Landrat des Kreises Viersen an einem alten Gleisbett jenseits des Gladbacher Stadtteils Bettrath ablichten lassen, um der Idee einer Verlängerung der S28 über den Kaarster See hinaus bis Viersen einen Schub zu geben. Gibt es da schon irgendwas, was man sehen kann?
Felix Heinrichs: Also sehen kann man noch nichts. Das Projekt ist von Gladbach unterstützt worden, weniger, weil es der Bevölkerung nutzt, aber es schadet auch nicht. Und dafür zuständig ist der Kreis Viersen und die Kommunen. Grundsätzlich ist jede Schiene nützlich. Und der Kreis Viersen hat vor wenigen Wochen die Zusage bekommen, dass ein Teil der Planungskosten vom Land übernommen wird.

GT: Das Geld kann ja abgerufen werden, und dann kann man es ja schon mal verbuddeln.
Felix Heinrichs: Ja, dann kommt die nächste Stufe und die wird viele Millionen kosten.

GT: Wir sind ja noch beim Verkehr, Stichwort Auto. Wenn man sich so anschaut, wie das Auto so in der Öffentlichkeit apostrophiert wird, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass aus dem ehemaligen Lieblingskind, ein böses geworden ist, das auf einem absteigenden Ast ist, aber wir brauchen es sicher noch sehr lange und deshalb muss auch für befahrbare Straßen gesorgt werden. Eine davon ist nun einmal die Bismarckstraße.
Felix Heinrichs: Es geht nicht darum, Autos zu verdrängen. Was passiert stattdessen? Wir versuchen die Stadt für die Menschen attraktiver und lebenswerter zu gestalten. Dazu gehört, dass es Bereiche gibt, in denen man sich frei bewegen kann, ohne Abgas, ohne Lärm und ohne Blech. Die Menschen wollen mehr Fahrrad fahren, dafür brauchen sie sichere Wege. Es geht nicht darum, dass das Auto schlechter gestellt wird, es geht darum, dass auch andere Verkehrsarten sicherer gemacht werden. Das ist nicht gegen das Auto, ich fahre auch viel damit. Wir müssen gucken, dass der, der mit dem Fahrrad fährt, ohne Lebensgefahr durch die Stadt kommt. Das ist etwas, was häufig von der konservativen Seite postuliert wird: wir nähmen aus politischen Gründen Parkplätze weg. Das machen wir an keiner Stelle, an keiner Stelle gibt es eine politische Entscheidung: da brauchen wir keinen Parkplatz mehr. Es geht uns um sichere Radwege, um sichere Schulwege, damit Kinder durchkommen, da fällt auch schon mal ein Parkplatz weg, aber ich denke, das ist es wert. Und Mönchengladbach ist eine Autostadt. Sie kommen mit dem Auto überall hin. Und wir haben keine Verhältnisse, wie in Düsseldorf, wo in der dritten Reihe geparkt wird oder in Köln, wo sie überhaupt nicht mehr irgendwo hinkommen. Also ich glaube, Autofahrer und Autofahrerinnen haben es noch sehr gut in Mönchengladbach.

Das Gespräch führte Philipp Maas, Herausgeber und Chefredakteur des Gladbacher Tageblatts.
Wird fortgesetzt

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