Viersen. Dieses abgewandelte Motto der Stadt Viersen stand über dem Neujahrsempfang, zu dem die Stadtverwaltung in die Festhalle am Abend des 12. Januar einlud, und viele aus der Stadt und dem Kreis folgten, Prominente, wie der Landrat, Bundestags- und Landtagsabgeordnete, wobei die Aufzählung nicht vollständig ist, alle ein wenig festlich gekleidet, dem Anlass entsprechend und gut gelaunt. Das wurde auch zugleich honoriert vom Schulchor des Clara-Schumann-Gymnasiums unter Leitung von Marion Bleyer-Heck, von Gesangssolisten Tim und Leonie, die von einem Violinquintett bei ihren Darbietungen begleitet wurden. Es waren Gesänge, auch in den Sprachen englisch und französischen, was den Partnerstädten in England und Frankreich zu danken war. Ergänzt wurde das am Ende der Veranstaltung auch mit Liedern in jiddischen und ukrainschem Lauten, denn auch in Israel und in der Ukraine hat die Stadt bekanntlich Partnerschaften mit Städten, auf die Bürgermeisterin Sabine Anemüller in ihrer Ansprache ausführlich einging, dem Motto des Neujahrsempfangs entsprechend.
Wenn von Partnerschaft die Rede ist, dann ist der Hinweis auf die der Menschen in der Stadt mit der Verwaltung und den politischen Parteien naheliegend, so sagte Sabine Anemüller u.a.: „So möchte ich das Wesen von ‚Partnerschaft’ auch im Zusammenhang mit allen Menschen, mit denen die Stadt Viersen zusammenarbeitet, definiert und verstanden wissen. Und genauso bewerte und erwarte ich die Zusammenarbeit der politischen Parteien im Viersener Stadtrat. Ja, der Stadtrat bestimmt die strategische Ausrichtung der Arbeit der Verwaltung. Doch diese politische Aufsichts- oder Auftragsfunktion funktioniert immer besser auf partnerschaftlicher Basis. Für mich ist das ein Grundpfeiler, sozusagen ein Wesenszug der Demokratie. Ich behaupte und lege Wert darauf, dass die DNA einer Partei zwingend demokratisch sein muss! Extremismus, Ausgrenzung, das Fehlen von Toleranz und Verhandlungsbereitschaft machen demokratisches Handeln und partnerschaftliche Zusammenarbeit zunichte. Mich und auch die Vertretungen der politischen Parteien, die die heutige Neujahrsrede mit mir gemeinsam gestalten, besorgt der zunehmende Rechtsruck.“
Nicht nur die Bürgermeisterin kam ausführlich zu Wort, auch Vertreter von fünf politischen Parteien, also die etablierten, nicht die AfD und auch nicht die der fraktionslosen. Dabei ging Sebastian Achten von der CDU auf die Probleme ein, die Mescnhen umtreibt: „In vielen Städten und Gemeinden haben die Bauern, stellvertretend für die Mehrheit der Bevölkerung, ihren Unmut über die aktuelle Situation in unserem Land zum Ausdruck gebracht. Hohe Energiepreise, steigende Lebenshaltungskosten, steigende Abgaben und eine schleichende Deindustrialisierung sorgen bei vielen Menschen für Zukunftsängste. Wenn wir das Erstarken der rechten Ränder verhindern wollen, dann brauchen wir eine echte Zeitenwende! Wir demokratische Parteien müssen endlich die Antworten auf die Fragen der Zeit geben und durchaus selbstkritisch sein. Es reicht nicht, über Wahlergebnisse schockiert zu sein und den Fehler bei den Wählerinnen und Wählern zu suchen. Es bedarf endlich wieder einer Politik für die Menschen, die den Motor Deutschland am Laufen halten.“
Michael Lambertz von der SPD sagte u.a.: „Als Kommunalpolitiker sehe ich gerade uns, die vor Ort politisch Verantwortlichen in der Pflicht, wir sind Teil der Bevölkerung, wir sind die ersten politischen Ansprechpartner. Deshalb ist es so enorm wichtig, dass wir eine gute, eine bürgernahe, eine transparente Politik machen. Denn nur so kann man gegen Politikverdrossenheit und Demokratiemüdigkeit ankämpfen. Die Zusammenarbeit mit den demokratischen Parteien hier vor Ort ist absolut gut und kollegial. Im Ringen um die besten Lösungen stehen immer die Interessen der Bürgerinnen und Bürger, bzw. die unserer Heimatstadt im Vordergrund. Parteiinteressen haben hier hintenanzustehen.“
Das alles nahm das Auditorium zur Kenntnis ohne es mit Applaus zu begrüßen. Diesen Effekt konnte Frank a Campo von der FDP für sich verbuchen ale er sagte: „Die ungeregelte Einwanderung nach Deutschland ist das Thema, dessentwegen sich die Menschen die größten Sorgen machen. Je nach erfragtem Aspekt äußern bis zu 80% der Befragten große Sorge und Unzufriedenheit. Das ist es, woran der Rechtsradikalismus sich mästet. Damit ist klar, was wir zu tun haben: Wir müssen die legale Einwanderung nach Deutschland gesetzlich so regeln, dass im wesentlichen neben den wirklich Verfolgten nur solche Menschen ein Bleiberecht erwerben können, die sich durch Arbeit aus eigener Kraft ernähren können und sich in Rechtsstaat und Gesellschaft eingliedern wollen. Wer Rechtsradikalismus bekämpfen will, muss Migration regeln!“
Anne Scholz vom Bündnis 90/ Die Grünen machte mit einem Zitat Loriots auf sich aufmerksam, der soll gesagt haben: „In Krisenzeiten suchen Intelligente nach Lösungen, Idioten suchen nach Schuldigen.“ Der Partei weht ja im Augenblick der Wind ins Gesicht, weil von dort tief in die persönlichen Verhältnisse eingegriffen wird, um das Klima zu retten, das aber von den Menschen in Deutschland allein nicht zu bewältigen ist.
Zum Schluss kam Britta Pietsch von den Linken ans Rednerpult, eine Frau mit dem Herz auf dem richtigen Fleck, wie man im Rheinland sagt. Sie brachte gleich zu Anfang ein Zitat, das Antonio Gramsci zugeschrieben wird: „Die alte Welt liegt im Sterben, die neue ist noch nicht geboren. Es ist die Zeit der Monster.“ Und später: „Ja, wir können die Geburtshelfer sein, die das Neue, das Gute auf die Welt bringen.“ Das ist gut gesagt, aber es gibt nur wenige, die Sozialisten als Geburtshelfer für eine neue Zeit haben wollen.
Nicht unterschlagen will der Chronist die Ansage von Sabine Anemüller, die gleich am Anfang auf André Schmitz, seit 15 Jahren ehrenamtlicher Nachtwächter in Dülken aufmerksam machte. Er hat wesentlich dafür gesorgt, dass das 39. Europäische Treffen der Nachtwächter- und Türmerzunft in der Zeit vom 9. bis 12. Mai in Dülken stattfindet. Dann hallt es dort von den Dächern und Zinnen: „Hört Ihr Leut und lasst Euch sagen… „
Des Nachtwächters Aufgabe bestand darin, nachts auf den Straßen und Gassen für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Darüber hinaus warnte er vor Feuern und gab stündlich die Zeit an.
Das braucht es ja jetzt nicht mehr. Vielleicht braucht’s einen Machtwächter, das wäre wohl die Bevölkerung, wenn sie es denn will.