Wie der Flughafen Gewinn machen will

Noch sind die 100 Tage nicht um, die Führungspersonal nach ihrem Antritt Zeit gegeben wird, Akzente zu setzen an ihrem neuen Arbeitsplatz. Trotzdem war Andreas Ungar, der Geschäftsführer der Flughafengesellschaft Mönchengladbach mbH, bereit, dem Gladbacher Tageblatt ein ausführliches Interview zu geben, sich bekannt zu machen und seine Ideen und Visionen zu erläutern, die er in Gladbach verwirklichen will. 
Andreas Ungar ist mit seiner Frau und zwei Kindern im Kitaalter im Ortsteil Odenkirchen eingezogen und fühlt sich wohl. Er stammt aus Rostock, hat fast zwölf Jahre die Uniform eines Luftwaffenoffiziers getragen und war vor seinem Engagement am Flughafen der größten Stadt am Niederrhein Betriebsleiter des Flughafens Münster-Osnabrück und Geschäftsführer der dortigen Sicherheitsfirma.

Das ist der zweite Teil der Niederschrift des Gesprächs mit Andreas Ungar, zum ersten Teil führt dieser Link.

Andreas Unger Geschäftsführer vom Flughafen Mönchengladbach

GT: Nun kommen wir von der Vergangenheit auf die Gegenwart. Wie sind denn aktuell die Eigentumsverhältnisse in der Flughafengesellschaft Mönchengladbach mbH? 
Andreas Ungar: Es ist ja so, dass der Flughafen Düsseldorf über viele Jahre Mehrheitseigentümerin war und vor zwei Jahren, die EWMG als Tochter der Stadt Mönchengladbach, die Mehrheit der Anteile übernommen hat. Die Düsseldorfer sind noch mit 20% beteiligt. Das finde ich gut, denn die Entwicklungsgesellschaft trägt die lokalen Ideen zur Entwicklung bei und unterstützt ganz aktiv bei der Gewerbeansiedlung und Düsseldorf hat flugbetriebliche Kompetenz.

GT: Wie ist denn die betriebswirtschaftliche Situation der GmbH, machen Sie ein wenig Gewinn?
Andreas Ungar: Das ist eine spannende Frage. Klar, das ist zu bewerten. Dabei darf man allerdings nicht vergessen, dass ein Flugplatz eine Infrastruktur ist. Ich vergleiche das gerne mit einem Autobahnkreuz. Da würde auch niemand auf die Idee kommen die Frage zu stellen, wie viel Gewinn macht den das Kreuz? Man braucht es, um eine Erreichbarkeit bereit zu stellen.

GT: Man müsste es privatisieren, dann könne man sehen, wie viel Gewinn es abwirft.
Andreas Ungar: Also, der Flughafen macht aktuell keinen Gewinn, aus dem operativen Geschäft fällt ein Verlust an. Dabei ist allerdings eine Entwicklung zu sehen. Seit die EWMG Mehrheitsgesellschafter ist und damit ein frischer Wind weht, werden die Verluste minimiert. Wir haben letztes Jahr ein positives Signal vom Bund bekommen, nämlich dass die Flugsicherungskosten, die hier am Platz anfallen, übernommen werden. Und das wird zu einer deutlichen Verbesserung des Ergebnisses beitragen, so dass wir das Ziel haben, im aktuellen Jahr unter einer Millionen Verlust zu bleiben.

GT: Und im vergangenen Jahr war es doppelt so viel?
Andreas Ungar: Nein. Da waren es ungefähr 1,4 Millionen. Um das richtig einzuordnen, muss man sehen, was hier am Standort passiert. Hier sind Unternehmen angesiedelt, die ungefähr 700 Personen beschäftigen. Davon entfallen nur knapp 30 auf die Flughafen GmbH. Die anderen sind hier, weil sie ein attraktives Umfeld haben. Aber darauf ruhen wir uns nicht aus,

GT: Ja, das schreibt der Gesetzgeber ja vor, dass Sie irgendwann Gewinn machen müssen.
Andreas Ungar: Bei den größeren Flughäfen ist das tatsächlich so. Das hat jedoch mit dem Beihilferecht der EU zu tun. Auch wenn für uns diese formale EU-Auflage nicht relevant ist, haben wir den Anspruch und den Auftrag alles dafür tun, uns in Richtung eines ausgeglichenen Betriebsergebnisses zu entwickeln.

GT: Ist das denn realistisch?
Andreas Ungar: Das Schwierige an der Sache ist, dass wir hohe Vorhalte- und Infrastrukturkosten haben. Wir haben hohe Ausgaben, um die Infrastruktur am Laufen zu halten. Das lässt sich auch nicht signifikant reduzieren. Die Landebahnen, die Signalanlagen, das alles ist in Schuss zu halten, Da sind wir bei den Ausgaben gedeckelt. Jetzt geht es darum, wo können wir Einnahmen erzielen? Das ist ein Weg, der jetzt konsequent aufgezeigt ist, da werden wir uns weiter entwickeln, in Richtung eines ausgeglichenen Betriebsergebnisses.

GT: Was müsste passieren, dass Sie die Million wegschaffen?
Andreas Ungar: Ich will es mal so sagen, wir haben am Flugplatz Mönchengladbach, wie an wenig anderen Plätzen sonst, ein großes Potential, das vorhanden ist; wir müssen es optimal nutzen.

GT: Können Sie das ein wenig erläutern?
Andreas Ungar: Wir haben ja schon ein wenig zu den Segmenten, die vorhanden sind, gesagt, jetzt zum Detail:

Das 1. Segment ist der Wartungsbetrieb. Da sind wir natürlich von unseren Dienstleistern abhängig. Jetzt geht es darum, mit denen noch enger zusammen zu arbeiten und zu entwickeln, wie können wir diesen Bereich noch attraktiver machen. Das hat zur Folge, dass mehr Flugzeuge kommen, was die Erlöse für die GmbH vermehrt.
Das 2. Segment ist der Schulungsbetrieb. Wir haben schon einen der größten Schulungsbetriebe Deutschlands, die RWL, am Platz und noch weitere Flugschulen und Vereine, welche unsere Infrastruktur nutzen. Wir haben hier ja etwas, was es sonst an Flugplätzen unserer Größe nur selten gibt, nämlich eine Kontrollzone. Das ist insofern wichtig, weil man lernen kann und muss, wie man sich in komplexen Luftraumstrukturen zu verhalten hat. Da haben wir in Mönchengladbach die allerbesten Voraussetzungen. Jetzt geht es darum, diese Möglichkeiten auszubauen und das publik zu machen.
Das 3. Segment ist der Geschäftsreiseverkehr. Da liegt ein sehr großes Potential brach.
Hier wird momentan nicht viel dafür gemacht, nicht viel investiert. Wir halten dafür keine Infrastruktur vor und kein Personal vor, aber der Bedarf ist da. Der Geschäftsreiseverkehr – oder individueller Reiseverkehr – ist stark wachsend. Gerade die Pandemie war hierfür noch einmal ein Katalysator, weil die großen Flugzeuge nicht in der Luft waren und man festgestellt hat, das die Kosten, wenn man mit mehreren Kollegen unterwegs ist, sich ähnlich darstellten, wie sie in der Businessclass bei großen Airlines anfallen. Kommt noch hinzu, dass man hier, wenn man von der Autobahn kommt, innerhalb von zehn Minuten im Flieger ist. Das kann kaum ein anderer Flughafen.

GT: Das können auch die großen nicht bieten.
Andreas Ungar: Das können die großen Flughäfen überhaupt nicht. Der Privatflieger steht weit draußen auf dem Rollfeld und die Sicherheitskontrollen sind auch zu absolvieren, das ist alles nicht bequem. Das können wir hier deutlich besser darstellen.
Hier wird gerade in diesem Bereich etwas getan. Wir werden das Terminal hierfür frischer gestalten und die Wege optimieren. Ziel ist: Ich komme hier rein und gehe gerade aus zum Flieger. Hier liegt Erlöspotential, was wir bisher kaum nutzen.

GT: Der Standort ist ja auch irgendwie  dafür prädistiniert im Zentrum von RheinRuhr und RheinMaas.
Andreas Ungar: Wenn wir um Mönchengladbach einen Radius von nur wenigen Kilometern ziehen, haben wir ein erstaunliches Einzugsgebiet. Aktuell machen wir gar nichts, um das Potential zu heben. Heute haben wir so über den Daumen einen Abflug pro Tag, obwohl wir nicht aktiv sind, auch nicht auf die Leute, die dafür infrage kommen, zugehen. Also das müssten wir deutlich verbessern.

GT: Man müsste ein bisschen Marketing machen.
Andreas Ungar: Ja, Marketing machen und Pakete schnüren, mit dem Hinweis, dass sind die Vorteile, wenn wir von Mönchengladbach aus fliegt. Also infrastruktuell müssen wir besser werden und was den Service angeht.

GT:  Und das Autobahnkreuz MG ist vor der Haustür.
Andreas Ungar: So war ich ein wenig überrascht, dass das so wenig forciert worden ist, jetzt gehen wir das an.

GT: Gibt es dafür ein Marketing-Budget?
Andreas Ungar: Durch den Gesellschafter EWMG haben wir menpower dafür, jetzt gilt es, diese Marketingpakete an die Frau oder den Mann zu bringen.

GT: Gibt es weiteres unausgeschöpftes Potential?
Andreas Ungar: Das vierte Segment ist Innovation und Forschung. Das ist ein Thema, das mich persönlich sehr anspricht. Ich habe schon immer zu technischen und innovativen Themen einen kurzen Draht gehabt, und wenn man sieht, dass der kleine Verkehrsplatz Mönchengladbach, unabhängig von mir, einen Luft- und Raumfahrtingenieur beschäftigt, der allein für dieses Thema zuständig ist, dann ist das etwas Besonders. Flugplätze, die deutlich größer sind als wir, haben so etwas nicht. Sie sprechen gerne davon innovativ zu sein, aber sie sind nicht dafür gemacht bzw. investieren nichts dafür. Wir haben den Herrn Osten, der sich komplett mit diesen Themen beschäftigt, auch Gelder für Projekte einsammelt, für die Fördermittel zur Verfügung stehen. Wir beschäftigen uns hier mit neuen Antrieben, die wenig bis keinen Lärm machen, aber auch was CO2angeht. Wir wollen aber nicht nur die Forschungs- und Entwicklungsarbeit leisten, sondern auch die Voraussetzungen schaffen, dass solche neuen Antriebe am Platze eingesetzt werden, so dass zukünftig auch Elektroluftfahrzeuge in der Platzrunde zu sehen sind, aber dann kaum noch zu hören sein werden! Auf diesem Geschäftsfeld werden wir mittelfristig Gewerbeansiedlungen  kriegen. Wir sind da mit verschiedenen Unternehmen im Gespräch. Das alles wird natürlich auch angetrieben vom ökologischen Ansatz und der Politik, die das fördert. Es gibt viele Start-ups, die sich damit beschäftigen, wie kann ich den Luftverkehr nachhaltiger, ökologischer gestalten. Da werden wir Geschäft generieren, da bin ich mir ganz sicher.

GT: Haben Sie denn Möglichkeiten, Gewerbe anzusiedeln, gibt es denn noch Platz dafür?
Andreas Ungar: Ja, haben wir. Es gibt noch ein „Tortenstückchen“, aber auch noch drei alte und aktuell ungenutzt Hallen. Die erste ist renoviert und kann in Kürze genutzt werden.

GT: Und was ist mit dem Gelände der ehemaligen Trabrennbahn?
Andreas Ungar: Das gehört sicher zu dem, was dem Flugplatz nützlich wird, nur muss dafür ja noch ein baurechtlicher Rahmen gefunden werden. Aber wir haben ja noch etwa vor der Haustür: Der große Parkplatz, der ja eine zeitlang auch dem touristischen Flugverkehr nützlich war. Den werden wir auf jeden Fall zugunsten von Gewerbeansiedlungen verkleinern.

GT: Dann kämen wir ja zu dem nächsten Aspekt: Der Flugplatz als Eventlocation. Wie ich hörte, strebt die Stadt hier auch einen Hotelneubau an.
Andreas Ungar: Dafür besteht wahrscheinlich Bedarf, wobei ich mich da nicht zu weit aus dem Fenster lehnen will, weil ich ja erst drei Monate hier bin. Aber die Stadt verträgt vielleicht noch ein Hotel. Die Flugschulen und Wartungsfirmen wären sicher froh, wenn es so etwas in der Nähe gäbe. Aber auch das Thema Eventlocation ist ein Treiber der Idee.

GT: Das Hotel müsste man dann in eine Eventlocation einbinden, weil man so noch ganz andere Kundenkreise binden könnte.
Andreas Ungar: Es gibt noch ein Geschäftsfeld, was ich erwähnen will. Es besteht ein größerer Bedarf an Flugzeughallen. Wir haben eine längere Warteliste, wo 30 Leute draufstehen, die ihre Flugzeuge abstellen wollen. Und es gibt ein schnellwachsendes flugaffines Gewerbe, das irgendwo angesiedelt werden muss, auch aus Großbritannien. Dort gibt es viele Aviation-Firmen, die nach dem EU-Austritt eine Niederlassung in der EU anstreben, um den Fuß in der Tür zu haben.

GT: Das wäre ja ein Schwung, der Sie weit in die positiven Zahlen bringen würde?
Andreas Ungar: Alles was wir tun, dient der nachhaltigen Entwicklung der Flughafen GmbH. Wir sind ja auch keine der Flughafengesellschaften, die sechs Millionen Euro weit weg sind von der schwarzen Null. Die Schritte, die wir jetzt machen, sind große in Richtung Ausgeglichenheit.

GT: Dann würde sich ja der Wechsel von Münster hierher auch für Sie persönlich rentabel gestalten.
Andreas Ungar: Also so nach zwei Monaten nach dem Ankommen, kann man ja so ein erstes Resümee ziehen. Ich bin überrascht, wie viel positive Energie hier drin ist. Ich kenn’ das ja aus früheren Positionen: um den Flughafen kämpfen. Man sieht sich Gesellschaftern und auch der Bevölkerung gegenüber die sagen: was soll das hier? Alles dicht machen und Solarflächen installieren. Hier ist das anderes. Es gibt unglaublich viele positive Ansätze, Projekte…

GT: Das liegt sicher an den Genen, weil Gladbach aus der Geschichte und wegen Hugo Junkers etwas mit dem Fliegen zu tun hat …
Andreas Ungar: Vielleicht ist das wirklich so, weil Fliegen in den Genen und in den Köpfen ist, und viele sagen, der Flughafen gehört zu uns, das merkt man wirklich, dass der Wille da ist, diesen Flughafen weiter zu entwickeln.

GT: Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Wie lange wollen Sie denn hier bleiben?
Andreas Ungar: Ich habe einen Fünfjahres-Vertrag, den ich auf jede Fall erfüllen möchte, und bisher macht mir das Projekt soviel Spaß, dass ich auch dankbar bin, wenn es ein paar Jahre mehr werden. Ich beschäftige mich hier mit einem meiner Lieblingsthemen, der „allgemeinen Luftfahrt“. In Deutschland gibt es zwei/drei sehr bedeutsame Flughäfen für die „allgemeine Luftfahrt“, und Gladbach gehört in jedem Falle dazu.

GT: Ich danke Ihnen für das Gespräch.

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